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Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, haben Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat gestern in mehreren Fällen entschieden, dass Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht als Wehrpflichtige oder Reservisten dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben. In allen Verfahren hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Klägern, Flüchtlingen aus Syrien, im Hinblick auf den in Syrien herrschenden landesweiten innerstaatlichen bewaffneten Konflikt den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG zuerkannt. Der weitergehende Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG wurde jeweils abgelehnt, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Flüchtlinge erhalten sowohl im Falle der Zuerkennung subsidiären Schutzes als auch im Falle der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Vorteilen für letztere im Einzelnen. Unterschiede gibt es vor allem hinsichtlich des Familiennachzugs, soweit er Ehegatten und minderjährige ledige Kinder betrifft.

Die Kläger haben gegen die Bescheide Klage erhoben mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Begründung haben sie vor allem ausgeführt, dass ihnen bei hypothetischer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohen würde, weil sie sich dort dem Wehrdienst entzogen haben. Die Rückkehr ist hypothetisch, weil sie wegen des bereits zuerkannten subsidiären Schutzes derzeit ohnehin ausgeschlossen ist.

Anders als der subsidiäre Schutz setzt die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus voraus, dass die Betroffenen nicht nur mit staatlichen Verfolgungshandlungen (z.B. Folter) rechnen müssen, sondern dass gerade aufgrund eines bestimmten Verfolgungsgrundes (etwa wegen der Rasse, der Religion, einer politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) die staatlichen Verfolgungshandlungen (z.B. Folter) drohen. Dies haben die Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt. Während die Verwaltungsgerichte Chemnitz und Leipzig das Vorliegen eines solchen Verfolgungsgrundes bejaht haben, weil dem Wehrdienstentzug vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung beigemessen werde, hat das Verwaltungsgericht Dresden dies verneint.

Der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat gestern in fünf Berufungsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlungen, die Verfahren aller drei sächsischer Verwaltungsgerichte betrafen, entschieden, dass wehrpflichtigen Flüchtlingen aus Syrien im Falle ihrer Rückkehr politische Verfolgung droht, weil die syrischen Behörden diesen nach den aktuellen Auskünften zur Lage in Syrien eine regimefeindliche Gesinnung unterstellen und sie deshalb nach einem „Freund-Feind-Schema“ als Oppositionelle behandeln.

Keinen Erfolg hatte allerdings die Berufung eines fast 17 Jahre alten jugendlichen Syrers. Der Senat ist hier davon ausgegangen, dass bei ihm aufgrund seines Alters beieiner zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu unterstellenden zeitnahen Rückkehr nach Syrien noch kein Wehrdienstentzug vorliegt und wegen seiner Herkunft aus einer Oppositionshochburg jedenfalls deshalb keine politische Verfolgung droht, weil er Syrien bereits im April 2012 verlassen hat, als er gerade zwölf Jahre alt geworden war.

Weiter hat der Senat entschieden, dass Familienangehörigen (Ehefrau und Kinder) eines Syrers, der sich dem Wehrdienst entzogen hat, im Falle der gemeinsamen Rückkehr keine politische Verfolgung im Sinne einer sog. Reflexverfolgung droht. Die Familienangehörigen haben aber nach der unanfechtbaren Anerkennung des wehrpflichtigen Ehemannes bzw. Vaters einen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz. Die Frage, ob Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben, ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Bundesländer umstritten. Drei dieser Gerichte vertreten die jetzt vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung, vier die gegenteilige Ansicht. Das Bundesverwaltungsgericht kann eine bundesweite Klärung nicht herbeiführen, weil es um die Bewertung grundsätzlicher Tatsachenfragen geht. Die gesetzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt sich jedoch auf die Klärung von Rechtsfragen.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde vom Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die jeweils unterlegenen Beteiligten können aber binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erheben.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 4/18 vom 08. Februar 2018, SächsOVG, Urteile vom 7. Februar 2018 – 5 A 714/17.A, 5 A 1234/17.A, 5 A 1237/17.A, 5 A 1245/17.A, 5 A 1246/17.A)

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