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Mit einem Beschluss vom 27. Juni 2017 (Az.: 11 S 1067/17)  hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Beantragung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG konkretisiert. Er hat ausgeführt, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Beantragung der Beginn der Ausbildung nicht mehr von aus der Sphäre des Antragstellers stammenden Umständen und Handlungen abhängen darf. Darüber hinaus muss die Aufnahme der Ausbildung zeitlich zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstehen.

Wir möchten Ihnen die Entscheidung im Folgenden auszugsweise wiedergeben:

„Jedoch fehlt es an der Voraussetzung, dass die Antragstellerin diese Ausbildung „aufnimmt oder aufgenommen hat“.  Aus Gründen des materiellen Rechts muss auch diese Voraussetzung schon zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen, da es anderenfalls der betroffene Antragsteller in der Hand hätte, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die Wahl des Zeitpunkts der Antragstellung zu sperren, selbst wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen haben.

Zwar hat der Senat entschieden, dass der Wortlaut des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG („aufnimmt“) nicht zu dem Verständnis zwingt, die Ausbildung müsse bereits tatsächlich in der Weise begonnen sein, dass sich die Betroffenen an ihrem Ausbildungsplatz eingefunden haben. Auch der Abschluss des Ausbildungsvertrags lässt sich begrifflich hierunter fassen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.10.2016, a.a.O.). Denn bei einer engeren Auslegung würde das Kriterium des „Aufnehmens“ im Verhältnis zur Alternative, dass die Ausbildung aufgenommen wurde, überflüssig.

Andererseits würde die Wortlautgrenze der Vorschrift unzulässig überschritten, wollte man unter „aufnimmt“ in diesem Kontext einen zeitlichen Vorlauf fassen, bei dem zwischen dem Abschluss des Ausbildungsvertrages und der tatsächlichen Aufnahme der Ausbildung noch mehrere Monate liegen, da dann der enge zeitliche Bezug verloren ginge, der in der als Ausnahmevorschrift konzipierten Regelung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG angelegt ist, wie die aufeinander bezogenen Voraussetzungen „aufnimmt oder aufgenommen hat“ deutlich machen. Die Vorschrift würde dann mittels Analogiebildung Fälle erfassen, in denen der Betroffene die Ausbildung erst noch „aufnehmen wird“. Damit würde in einer aufenthaltsrechtlichen Situation, in der der betroffene Ausländer grundsätzlich vollziehbar ausreisepflichtig und die Behörde gehalten ist, diese Pflicht auch zu vollziehen, richterrechtlich ein Anspruchstatbestand geschaffen, dessen Voraussetzungen durch vertragliche Gestaltung weit im Voraus in der Hand des Betroffenen und eines Ausbildungsbetriebes lägen. Der Handlungsspielraum der Behörde würde dadurch weitgehend verloren gehen, ohne dass dem eine klare gesetzgeberische Grundentscheidung zu Grunde läge. Es liegt auf der Hand, dass dies vom Gesetzgeber bei der Schaffung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht gesehen, aber eben auch nicht beabsichtigt war. Gerade in diesem Bereich steht dem Gesetzgeber eine weitreichende Gestaltungsfreiheit zu, den Aufenthalt und die daran anknüpfenden Rechte zu regeln und zu begrenzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.01.2017, a.a.O.). Es spricht daher für den Senat alles dafür, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Antragstellung der Beginn der Ausbildung nicht mehr von aus der Sphäre des Antragstellers stammenden Umständen und Handlungen abhängen darf – also etwa von Erreichen eines erforderlichen Schulabschlusses oder anderen Zugangsvoraussetzungen zum Ausbildungsberuf, soweit diese vom Antragsteller erbracht werden müssen – und die Aufnahme der Ausbildung zeitlich zudem schon bei Antragstellung unmittelbar bevorstehen muss. Bei der notwendigen wertenden Betrachtung mag dann ein zeitlicher Vorlauf unschädlich sein, der sich etwa nach erfolgreichem Abschluss der zur Berufsausbildung qualifizierenden Schule für wenige Wochen ergibt, die regelmäßig ohnehin erforderlich sind, um den Antrag sachgerecht beurteilen und bescheiden zu können.

In vorliegendem Fall lässt sich jedoch nicht argumentieren, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung unmittelbar davor stand, die Ausbildung aufzunehmen, nachdem bis zu deren Beginn über acht Monate lagen. […]“

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit dieser Entscheidung wesentliche Voraussetzungen der Gewährung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG klar umrissen.

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