Das neue Cannabisgesetz tritt am 01.04.2024 in Kraft. Die darin beschlossenen Änderungen sind vor allem interessant vor dem Hintergrund strafrechtlicher Sachverhalte. Nicht vergessen werden dabei sollte aber auch der Umstand, dass strafrechtliche Verurteilungen auch aufenthaltsrechtlich Relevanz haben.
Diese strafrechtlichen Anknüpfungspunkte im Aufenthaltsgesetz, sowie der Umgang damit, soll hier kurz dargestellt werden.
I. Strafrechtliche Anknüpfungspunkte im AufenthG
1. Regelerteilungsvoraussetzung – „kein Ausweisungsinteresse“ – § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
§ 5 AufenthG regelt die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel. Das heißt, dass die Voraussetzungen des § 5 AufenthG grundsätzlich bei jeder Erteilung eines Aufenthaltstitels geprüft werden müssen, unabhängig ob es Aufenthaltstitel zu Ausbildungs-, zu Arbeits- oder anderen Zwecken im Raum steht.
Eine Voraussetzung, die § 5 AufenthG vorgibt, ist das fehlen eines Ausweisungsinteresses. Ein Aufenthaltstitel darf demnach nur erteilt werden, wenn kein Ausweisungsinteresse vorliegt, § 5 Abs. 1 Nr. 2. Das Ausweisungsinteresse ist dabei von einer Ausweisungsverfügung vorliegt. Das Ausweisungsinteresse setzt schon vorher an: Wenn ein Ausweisungsinteresse durch die Ausländerbehörde bejaht wird, kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels versagt werden, unabhängig davon, ob eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig wäre oder nicht.
Bei der Frage, ob ein Ausweisungsinteresse vorliegt oder nicht, werden dennoch das Vorliegen der Katalogtaten des § 54 AufenthG geprüft.
§ 54 AufenthG knüpft an zwei Stellen ausdrücklich an das Betäubungsmittelgesetz an:
- § 54 Abs. 1 Nr. 1b) AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach dem BtMG von mindestens einem Jahr.
- § 54 Abs. 2 Nr. 3) AufenthG: Verwirklichung des Tatbestandes des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG als Täter oder Teilnehmer.
Während erwartbar ist, dass sich hinsichtlich § 54 Abs. 1 Nr. 1b) AufenthG keine große Änderung durch die Neuregelung des erlaubten Cannabisgesetzes geschaffen wurde, kann dies bei § 54 Abs. 2 Nr. 3) AufenthG bereits anders sein, da Täter nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bereits sein kann, wer Betäubungsmittel unerlaubt erwirbt oder sich auf andere Weise verschafft.
Nicht vergessen werden darf ebenfalls der Auffangtatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG: Ein Ausweisungsinteresse kann bereits dann begründet werden, wenn man „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen“ begangen hat. Bei der Beurteilung, was ein nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften ist, besteht ein erheblicher Spielraum. Auch Ordnungswidrigkeiten könnten theoretisch hierunter fallen. Das heißt nicht, dass Personen, die Ordnungswidrigkeiten keinen Aufenthaltstitel erhalten werden. Aber es soll verdeutlichen, dass bereits „kleinere“ Verurteilungen wegen bisher unerlaubtem Cannabis hierunter fallen könnten.
Unter all diesen Gesichtspunkten könnten also Straftaten im Zusammenhang mit bisher unerlaubtem Cannabisbesitz zu Problemen bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln führen.
2. Ausbildungsduldung und Folgeaufenthaltstitel sowie Chancenaufenthalt
Die Ausbildungsduldung ermöglicht das Absolvieren einer anerkannten Berufsausbildung. Während man im Besitz einer Ausbildungsduldung ist, darf man nicht abgeschoben werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung, besteht die Möglichkeit des sog. Spurwechsels. D. h., dass man nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung im Rahmen der Ausbildungsduldung in einen Aufenthaltstitel nach § 19d AufenthG wechseln darf, § 19 Abs. 1a AufenthG.
Voraussetzung bereits für die Erteilung der Ausbildungsduldung ist, dass die Voraussetzungen des § 19d Abs. 1 Nr. 7 AufenthG vorliegen, vgl. § 60c Abs. 2 Nr. 4 AufenthG. Bereits für die Erteilung der Ausbildungsduldung, aber ebenso für den daran anschließenden Aufenthaltstitel nach § 19d AufenthG, darf man keine Verurteilungen aufweisen, die eine Gesamthöhe von 50 Tagessätzen übersteigen. Sofern Verurteilungen nach dem AufenthG oder AsylG, die nur von Ausländern begangen werden können, gilt hier eine Grenze von 90 Tagessätzen. Mit diesen Anforderungen wird das Ausweisungsinteresse aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG spezifiziert.
Es kann also zu fällen kommen, in denen Personen wegen einer anderen Straftat bereits eine Verurteilung von einigen Tagessätzen haben. Wenn dann noch eine Verurteilung wegen bisher unerlaubten Cannabisbesitzes dazukommt, kann es sein, dass die Regelgrenze von 50 Tagessätzen überschritten wurde.
Dieselbe Regelung, d. h. der Ausschluss der Erteilung des Aufenthaltstitels bei mehr als 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen gilt auch für die Erteilung des sog. Chancenaufenthalts nach § 104c AufenthG.
II. Umgang mit Strafverfahren wegen bisher unerlaubtem Cannabisgesetz
Wenn Personen also Verurteilt wurden in Zusammenhang mit bisher unerlaubtem Cannabisbesitz und dies zu Problemen bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln oder Ausbildungsduldungen führt, sollte prüfen, ob die neuen Vorschriften des Cannabisgesetz über die Tilgungen bisheriger Eintragungen Anwendbar sind.
Gem. § 40 KCanG sind Eintragungen im Bundeszentralregister (BZR) aufgrund von Verurteilungen nach § 29 BtMG die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar sind oder für die nach dem neuen Recht nur noch eine Geldbuße (gegebenenfalls auch in Verbindung mit einer Nebenfolge) vorgesehen ist, tilgungsfähig.
Ein Antrag auf Feststellung der Tilgungsfähigkeit ist bei der Staatsanwaltschaft zu stellen, § 41 Abs. 1 KCanG. Gem. § 42 KCanG erstellt die Staatsanwaltschaft einen Bescheid über die Tilgungsfähigkeit. Kommt die Staatsanwaltschaft zum Schluss, dass die Eintragung nicht tilgungsfähig ist, wird ein begründeter Bescheid erstellt, § 42 Abs. 1 S. 2 KCanG. Sofern ein solcher Bescheid erstellt wird, ist es ratsam sich dazu anwaltliche Beratung einzuholen. Wenn die Staatsanwaltschaft die Tilgungsfähigkeit feststellt, muss sie dies der Registerbehörde und der antragstellenden Person mitzuteilen, § 42 Abs. 1 S. 1 KCanG. Nach Mitteilung ist die Eintragung durch die Registerbehörde zu tilgen, § 42 Abs. 2 KCanG.
Sobald eine Eintragung zu tilgen ist, darf diese Eintragung nicht mehr zum Nachteil einer Person verwertet werden, § 51 Abs. 1 BZRG.
Sollte Personen wegen des Umgangs mit Cannabis verurteilt wurden, sollte in jedem Fall geprüft werden, ob das verurteilte Verhalten weiterhin strafbar ist, oder nur noch mit Geldbuße bestraft ist. Wenn dies bejaht werden kann, sollte ein entsprechender Antrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Das betrifft grundsätzlich alle Personen, unabhängig Ihrer Herkunft.
Personen, die dem Anwendungsbereich des AufenthG unterfallen, sollten umso mehr prüfen, ob bei Ihnen entsprechende Verurteilungen vorliegen. Da der Antrag auf Tilgungsfähigkeit grundsätzlich von der Person selbst zu stellen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Ausländerbehörden selbstständig prüfen, ob eine alte Verurteilung noch entgegengehalten werden darf.
Bei noch laufenden Verfahren sollte es zu keinen Verurteilungen mehr kommen. In Zweifelsfällen sollte zwingend anwaltlicher Rat eingeholt werden.